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Mittwoch, 27. Mai 2015

Das CAS/SPRAR in Piazza Armerina unter der Leitung der Vereinigung Don Bosco 2000

Am 25. Mai besuchten wir das Aufnahmezentrum in Piazza Armerina. Es steht unter der Leitung der Vereinigung Don Bosco 2000 und hat 46 Plätze im CAS* und 50 im SPRAR**. Die Vereinigung Don Bosco 2000 ist seit 2011 in der Migrantenaufnahme tätig und unterhält auch in der Stadt Aidone in der Provinz Enna ein Zentrum.

Die Gäste sind hier auf verschiedene Gebäude verteilt. In einer ehemaligen zweistöckigen Jugendherberge befinden sich im Erdgeschoss 4 Zimmer mit je 5-6 Betten. Im ersten Stock gibt es 4 Bäder und verschiedene Doppelzimmer mit Bad. 7 unabhängige Wohnungen befinden sich im Stadtzentrum. Es werden auch Frauen und 2 Familien aufgenommen. 
Bei unserer Ankunft sprechen wir mit einigen der Gäste, die berichten, dass es ihnen gut gehe. Dann werden wir vom Betreiber empfangen, der sich sofort bereit erklärt, uns die Organisation der Struktur zu erklären.
Das Team setzt sich wie folgt zusammen: die Verantwortung hat eine Psychologin, sie organisiert wo nötig die Begleitung der Asylbewerber zu den Kommissionen; ein Sozialarbeiter; ein Italienischlehrer; eine Mediatorin, ein Zuständiger für die Aufnahme der Migranten; zwei Reinigungskräfte und zwei Köche für die Zentrumsküche. Die Mediatorin ist Nigerianerin. Für die Migranten aus Pakistan und Afghanistan steht kein Mediator ihrer Sprache zur Verfügung. Bei ihrer Ankunft werden die Migranten über das zukünftige Vorgehen informiert und die Verantwortliche bereitet mit ihnen die Anhörung vor der Territorialkommission vor. Sie ist auch Mediatorin in sprachlichen und kulturellen Belangen.
Der Italienischunterricht wird auf zwei Stufen geführt und findet jeden Morgen von Montag bis Freitag statt. Viele der Migranten besuchen auch einen zweiwöchigen Kurs, um ein Zertifikat ihrer Italienischkenntnisse zu erwerben, das am regionalen Zentrum für permanente Weiterbildung erworben werden kann. 
Es wurden Ausbildungen in 15 ausgewählten Betrieben in der Region ins Leben gerufen. So wurde es auch für Asylbewerber im Erstaufnahmeverfahren möglich, an der Einarbeitung in eine Berufstätigkeit teilzunehmen.  
Das Taschengeld wird allen in Form von Einkaufsgutscheinen für verschiedene, der Konvention angeschlossenen Geschäfte (Tabakläden, Supermärkte, Friseure), ausgegeben.
Dazu erklärt die Referentin: die Ausgabe des Taschengelds in Form von Einkaufsgutscheinen hat damit zu tun, dass die Übereinkunft des Erstaufnahmezentrums mit der Präfektur keine Barauszahlung des Taschengeldes erlaubt. Um die Asylanwärter im Erstaufnahmeverfahren nicht zu benachteiligen gegenüber jenen im Programm mit Integrationsangebot wurde beschlossen, die Handhabung des Taschengeldes für alle gleich zu gestalten. 
Die Migranten, die in einer Wohnung leben, bezahlen ihre wöchentlichen Haushaltsausgaben auch mit Einkaufsgutscheinen. Für die Bewohner im Hauptgebäude bereiten zwei Köche die Mahlzeiten zu. In der Mensa nehmen sie ihre Mahlzeiten ein: von 7-10 Uhr das Frühstück, von 13 -14 Uhr das Mittagessen und von 20 - 21 Uhr das Abendessen. Das Haus verfügt über mehrere Essräume.
Ebenso gibt es verschiedene Aufenthaltsräume, auch zum Fernsehen und fürs Internet. Da das Zentrum mit der Kapelle verbunden ist, stehen den Migranten tagsüber verschiedene Aktivitäten zusammen mit der lokalen Bevölkerung offen.
Sie erhalten einen Einkaufsgutschein von 80 Euro, um der Jahreszeit angepasste Kleidung in vertraglich eingebundenen Geschäften einzukaufen. 
Der Eindruck vom Betrieb dieses Zentrums ist positiv. Und er wird klar, wie fundamental wichtig die Eingliederung der Flüchtlinge in die Integrationsmassnahmen ist, die erst im SPRAR vorgesehen wären. Dadurch wird die unsichere Wartezeit menschenwürdig und eine zukünftig autonome Lebensführung wird unterstützt.
Was aber bleibt sind die langen Wartezeiten auf die Anhörung vor der Kommission, welche die Migranten durchleiden müssen. Alle mit denen wir ins Gespräch kamen, haben darüber berichtet. Einer von ihnen wartet seit 17 Monaten auf seine Anhörung. Die Referentin erzählt, dass die Kommission in Enna, die am 16. Mai endlich ihre Arbeit aufgenommen hat, kaum mehr als 4 Sitzungen pro Woche durchführt. Zudem befolgt sie offensichtlich das Kriterium des Eingangsdatums der Dossiers nicht, sondern scheint eine zufällige Auswahl zu treffen. 
Zu diesem Thema habe wir im Erstaufnahmezentrum in Pergusa, das wir letzten Monat besucht haben, folgendes erfahren: dort sind die Wartezeiten für die Anhörung in Enna etwa 15 Monate, weil viele Asylbewerber mehrmals an einen neuen Unterbringungsort gebracht wurden und somit den Antrag vor einer andern Kommission erneut einreichen mussten. Das hat Proteste zu Folge gehabt und darum sind die Anhörungen erst jetzt wieder aufgenommen worden.

Giovanna Vaccaro
Borderline Sicilia Onlus

Übersetzung aus dem Italienischen von Susanne Privitera Tassé Tagne

*CAS –Centro di Accoglienza Straordinaria: außerordentliches Aufnahmezentrum
**SPRAR – Sistema di protezione per rifugiati e richiedenti asilo: Schutzsystem für Asylsuchende und Flüchtlinge